Das Ende der Anwälte?
Richard Susskind prophezeit digitale Disruption für den Anwaltsstand. Peter Kurer unterstützt ihn in der NZZ.
Richard Susskind prophezeit digitale Disruption für den Anwaltsstand. Peter Kurer unterstützt ihn in der NZZ.
Die Thesen des britischen Juristen und Informatikers Richard Susskind, den ich 2013 in Bern am WeblawForum traf, sorgten zur Pause hin bei den anwesenden Rechtsexperten vor allem für eines: konsternierte Blicke. Zur Diskussion seiner Thesen liess sich kaum jemand hinreissen. Zu utopisch, zu bedrohlich erschienen die Vorstellungen, das Berufsmonopol der Anwälte werde hinfällig, Big Data, Roboter und Paraexperten könnten dank Demokratisierung des Wissens im Internet heute schon schaffen, was die Anwälte als ihr unanfechtbares Geschäftsfeld ansähen.
Inzwischen bin ich überzeugt von Susskinds Prognosen, wonach sich das Recht wie alle Berufsgattungen der Disruption ausgesetzt sehen wird. Es ist nicht mehr als logisch, dass die Möglichkeiten der Datenbank-Auswertung das Fachwissen spezialisierter Anwälte ersetzen wird. Dass Compliance-Apps auf dem Smartphone weltreisende Geschäftsleute über jede (un-)zulässige Handlung aufklären. Oder dass eine einvernehmliche Scheidung per Mausklick im Web beantragt werden kann.
Wer all das immer noch nicht glauben will? Das seien – schreibt Peter Kurer, selber Jurist, Autor («Legal and Compliance Risk») und neuer Verwaltungsratspräsident von Sunrise, in der NZZ – allesamt selber Anwälte und Anhänger des erworbenen Berufsmonopols, das durch die Digitalisierung dahinfalle.
Susskind werde angegriffen als Überbringer der schlechten Nachricht, und das jetzt erst recht, nachdem er mit seinem Sohn Daniel eben den Ansatz verfeinert und auf andere Berufe wie Mediziner, Journalisten, und Architekten ausgeweitet hat. Kurer ergänzt die Susskindschen Thesen mit seiner Auslegung, wonach in der globalisierten Welt insgesamt weniger die Rule of Law oder Rechtsstaatlichkeit herrscht, sondern vermehrt sogenannte Soft Laws zur Anwendung kommen:
“In dieser Welt löst sich das Recht wie ein Zucker in der Teetasse langsam auf und wird ersetzt durch Global Standards, Parteiprogramme, populistische Impulse, endlose regulatorische Regeln und langfädige Rechtsdokumente. In einer solchen Welt braucht es vielleicht in der Tat keine Juristen mehr; ihre Urteilskraft ist schlicht nicht mehr gefragt.”
Einen Hinweis auf die schrumpfende Bedeutung der Rechtsgelehrten sieht Kurer in der Liste des Gottlieb-Duttweiler-Instituts der einflussreichsten Intellektuellen der Gegenwart – sie führt unter den ersten siebzig Namen gerade mal zwei Juristen: Den Vordenker an der Schnittstelle von Web, Kultur und Recht, Professor Lawrence Lessig, und den Richter Richard Posner, der sich vor allem mit dem Spannungsfeld der Ökonomie mit dem Recht befasst.
Aber immerhin: Es gibt sie also auch unter den Juristen, die Ideenstifter. Ein anderer Vordenker der digitalen Revolution, der deutsche Mathematiker Gunter Duck, nennt die Entwicklungswelle der Berufe “Professionelle Intelligenz”: Wenn das einstige Monopolwissen zum Allgemeingut wird, bleibt genügend frisch gewonnenes Wissen, aus dessen Spezialisierung sich neue Betätigungsfelder ergeben.
Anwälte werden durch diese Entwicklung nicht überflüssig. Genauso wie die Journalisten, die Mediziner und die Architekten müssen sie jedoch eines: sich bewegen.
Der ganze Artikel im Feuilleton der NZZ: