Inhouse oder Anwaltskanzlei ?
Die 7 wichtigsten Unterschiede
Die 7 wichtigsten Unterschiede
Rechtsanwälte in Kanzleien werden von ihren Klienten “freiwillig” aufgesucht. Kontaktiert man einen Anwalt in einer Kanzlei, vertraut man grundsätzlich darauf, kompetent und effizient bei der Verwirklichung von Projekten und bei der Lösung anstehender Schwierigkeiten unterstützt zu werden.
Diesen Vertrauensbonus geniessen nicht alle Inhouse-Rechtsabteilungen. Nicht selten haftet ihnen vielmehr ein “Verhinderer-Image” an: Je nach Firmenkultur kann es ein hartes Stück Arbeit sein, die internen Klienten davon zu überzeugen, dass der rechtzeitige Gang zur Rechtsabteilung added value bietet und ihr Projekt weder verzögert noch verunmöglicht.
Mit einem Wechsel in eine Inhouse-Position verabschiedet man sich zwangsläufig vom Verfassen seitenlanger Memos, welche eine Fragestellung in allen Facetten juristisch erörteren.
Die vertiefte juristische Auseinandersetzung mit einem Problem wird in der Regel aus Zeitgründen oder mangels Spezialisten-Know-Hows an eine externe Kanzlei delegiert und ist nicht mehr Aufgabe des Inhouse-Anwalts. Ihm obliegt es, die externe rechtliche Meinung zusammenzufassen und wenn nötig in eine Sprache zu übersetzen, die von den internen Business-Klienten nachvollzogen werden kann.
Nicht jede rechtliche Fragestellung kann intern aus Zeitgründen oder extern aus Kostengründen so vertieft bearbeitet werden, wie das im Rahmen einer Kanzleitätigkeit möglich ist und dort auch erwartet wird. Wer sich mit dem Pareto-Prinzip, der 80/20 Regel, schwer tut, und sich nicht wohl fühlt einen Standpunkt einzunehmen, bevor alles zu 100% rechtlich abgeklärt wurde, wird es Inhouse lernen müssen.
Freude an der Akquisition ist zentrales Element auf dem Weg in die Partnerschaft in einer Kanzlei. Wem es nicht leicht fällt, immer wieder auf neue Leute zuzugehen, Hände zu schütteln und an Netzwerkveranstaltungen – auch in der Freizeit – neue Kontakte zu knüpfen, wird viel Energie und Überwindung darauf verwenden müssen, binnen nützlicher Frist ein relevantes Kundenportfolio aufzubauen.
Diese Akquisitionsverpflichtung entfällt naturgemäss, wenn man inhouse für eine Organisation arbeitet.
Unterschiedlich gestaltet sich der Aufbau der Beziehungen zu Klienten.
Inhouse lassen sich durch die wiederholte Zusammenarbeit in den verschiedensten Projekten wohl einfacher langfristige, interdisziplinäre Verbindungen etablieren. Dies wird durch die Möglichkeit des informellen Austauschs am Kaffeeautomaten oder einer spontanen Vereinbarung zum Mittagessen in der Kantine auch ausserhalb von laufenden Projekten vereinfacht. Es bilden sich Teams.
Das Verhältnis zu Klienten bleibt dagegen in der Kanzlei, solange man noch nicht als Partner unterwegs ist, naturgemäss eher formell; zumal Projekte zum Teil auch nur punktuell unterstützt werden. Frustrierend kann es auch werden, nur in Teilaspekte eines Projekts involviert zu sein und dadurch der Blick auf das Ganze fehlt.
Die Karrierepyramide für Anwälte spitzt sich nach oben hin sehr rasch zu. Das gilt sowohl für Inhouse-Karrieren, als auch für den Weg an die Spitze in einer Wirtschaftskanzlei.
Ein Unterschied besteht allerdings in der Planbarkeit: In Kanzleien ist klar vorgegeben, innert wie vielen Jahren es im besten Fall nach oben geht. In-house Karrieren sind von Opportunitäten getrieben und entwickeln sich unvorhersehbarer und schneller. Die möglichen Titel sind vielfältiger, aber stärker zu hinterfragen als der Partnerstatus.
So lassen sich Verantwortlichkeiten nicht immer eindeutig aus dem Titel ableiten. Je nach Firmenorganisation und Niveau der Rechtsabteilung kann ein “Legal Counsel” umfassendere Verantwortung tragen, als ein “Head of Legal” in einer anderen Firma.
Ein Senior-Partner einer Zürcher Anwaltskanzlei erklärte mir vor kurzem, er könne nicht verstehen, weshalb die Bereitschaft, 90 Stunden pro Woche zu arbeiten, heute bei den jüngeren Kollegen keine Selbstverständlichkeit mehr sei.
Die Zeiten ändern sich, aber gerade wer sich im prestigeträchtigten M&A-Umfeld behaupten will, investiert nach wie vor Zeit. Viel Zeit. Arbeit bis in die späten Abendstunden und Wochenendeinsätze sind nach wie vor die Regel. Private Verabredungen, Termine und Ferienplanungen haben zweite Priorität und müssen in letzter Minute verschoben oder abgesagt werden können. Je nach Prioritäten, Toleranz der Familie und des privaten Netzwerkes ist dies eine anspruchsvolle Situation.
Ich höre von meinen Kandidaten oft, dass sie sich vom Wechsel in eine Inhouse-Position eine Reduktion der zeitlichen Beanspruchung erhoffen. Dem ist leider nicht zwingend so. Gerade in einem globalen Umfeld, in dem Telefonkonferenzen mit Asien frühmorgens und mit den USA spätabends stattfinden, verlängern sich die Tage entsprechend. Interne Rechtsabteilungen sind – wie die Kanzleien – notorisch überlastet, weshalb nicht generell von kürzeren Arbeitstagen ausgegangen werden kann.
Allenfalls besser ist intern die Planbarkeit der Arbeitszeiten, und es entfällt der Druck der “billable hours”, den viele gerne zur Seite legen.
Vielen Kandidaten, die einen Wechsel aus der Kanzlei in eine Inhouse-Position in Erwägung ziehen, ist nicht bewusst, dass dies – zumindest anfänglich – mit einer erheblichen Lohneinbusse einher gehen kann.
Die Lohnunterschiede sind stark branchenabhängig. Pharma und der Finanzsektor bieten nach wie vor die attraktivsten Rahmenbedingungen, können aber auch nicht immer mit den Löhnen der (Zürcher) Anwaltskanzleien mithalten.