Karriere
Oder: Ich möchte der nächste Steve Jobs sein.
Oder: Ich möchte der nächste Steve Jobs sein.
Eine Frage, die ich den Kandidaten in den Interviews regelmässig stelle. Ich finde die Frage deshalb so gut, weil sie Aufschluss über persönliche Motivatoren und Ziele gibt. Nicht selten fallen in diesem Zusammenhang dann messbare Grössen wie Gehalt, Umsätze, Führungsverantwortung, Firmenwagen und Budget. Oder kurz: Klischees.
Die überraschendste Antwort, die ich bis jetzt erhalten habe war, ich zitiere: “Ich möchte der nächste Steve Jobs sein”. Nein, das war kein Witz, und auch keine Antwort auf die Wunderfrage. Man könnte jetzt die Antwort als komplett nutzlos abtun, nur das war sie nicht. Im Gegenteil. Die Beschreibung der Vorteile, die sich der Kandidat von seiner Rolle als nächster Steve Jobs versprach, war eine Offenbarung bezüglich seiner Werte, Motivatoren und Ziele.
Eine klassische Anwaltskarriere lässt sich ziemlich eng und klar umreissen: Studium mit exzellentem Abschluss, Anwaltspatent, Einstieg in einer renommierten Wirtschaftskanzlei, einjähriges LL.M im englischsprachigen Raum, zurück zur Kanzlei mit dem angestrebten Ziel einer Partnerschaft. In ein paar Jahren. Eine im schnelllebigen Zeitalter der digitalen Revolution verhältnismässig langfristige Planung, mit ungewissem Ausgang.
Und die Familienplanung?
Im immer noch sehr traditionellen Umfeld der Wirtschaftskanzleien sind zeitlich und geographisch flexible Arbeitszeitmodelle, die sich mit der Familie besser vereinbaren liessen, nach wie vor nicht sehr verbreitet. Man steht diesen Optionen aus unterschiedlichen Gründen weiterhin skeptisch gegenüber, trotz der neuen, ausgezeichneten technischen Möglichkeiten die eine Flexibilisierung erleichtern würden.
Nach dem LL.M. Auslandsjahr kommen nicht selten erste Zweifel auf, ob sich das Ziel einer Partnerschaft mit den eigenen Lebenszielen vereinbaren lässt. Obwohl noch 5 – 7 Jahre bis zur Partnerschaft bevorstehen, werden Zweifel verdrängt, da inklusive Ausbildung schon knapp 10 Jahre in dieses Ziel investiert wurden. Sich jetzt die Sinnfrage zu stellen braucht Mut. Man engagiert sich weitere zwei bis drei Jahre in der Kanzlei, bis der Leidensdruck so gross wird, oder die Partneroption definitiv vom Tisch ist, dass man sich zwangsläufig Gedanken darüber machen muss, wie man Karriere für sich definieren will.
Karriereratgeber findet man in Buchhandlungen meist in der Abteilung Wirschaft– direkt neben Finanz-, Retorik- und Zeitmanagementratgebern und Werken mit vielsagenden Titeln wie “Radikal Führen” oder “Die Macht der Disziplin”.
Die klassischen Ratgeber fokussieren auf die Themen “Bewerbungstipps, Gestaltung des Lebenlaufes, erfolgreiches Führen von Vorstellungsgesprächen und Lohnverhandlungen. Danach gefragt, was Karriere denn bedeute, und welchen nächsten Karriereschritt man sich vorstelle, stehen entsprechend Führungsanspruch und Lohnerhöhung ganz oben auf der Liste.
Finanzieller Erfolg lässt sich einfach messen und vergleichen. Genau wie die Anzahl von Teammitgliedern, die man führt. Das bestätigt und beruhigt. Studien haben allerdings ergeben, eine Lohnsteigerung trage nur solange wirklich zum Glück bei, bis die Schallgrenze von CHF 10’000 im Monat erreicht sei. Danach mache sie das Leben allenfalls noch bequemer. Ernüchternd für Anwälte, die dieses Niveau bereits kurz nach ihrer Ausbildung erreichen – und in einer Grosskanzlei auf der Suche nach dem beruflichen Glück sind.
Meinem Karrierebegriff kommt näher, wer seine Vision Schritt für Schritt umsetzt, und sich so die notwendigen Grundlagen erarbeitet, um einen nächsten beruflichen Schritt kompetent realisieren zu können.
Eine Vision ist Ausdruck von individuellen Vorlieben, Authenzitität, Stärken, Leidenschaft und Spass. Sie löst diejenige positive Energie aus die es braucht, um der persönlichen Vorstellung von Glück etwas näher zu kommen, und sich von klassischen Karriereklischees verabschieden zu können, sollten diese nicht den eigenen entsprechen. Der nächste Steve Jobs sein zu wollen, durchaus eine Vision.